Eierfarben

Die Schale von Vogeleiern in kalten Klimaten ist offenbar dunkler als die von Eiern aus wärmeren Gefilden. Aber warum? 

Während wir von unseren Frühstückseiern eigentlich nur die Farben Weiß und Hellbraun kennen, kommen in der freien Natur Vogeleier in ganz unterschiedlicher Farbgebung daher (siehe Illustration): Die Palette reicht von einem zarten Mintton über gesprenkelte Varianten bis hin zu einem dunklen Blaugrün.

Kurze Eierfarbenlehre
Die Eierschale besteht zum größten Teil aus Calcium, das eine weiße Farbe hat (vom lateinischen Calcium leitet sich auch das Wort „Kalk“ ab, das wir von Farbbeschreibungen wie „kalkweiß“ kennen). Alle anderen Eierschalenfarben werden über Mischungen aus Calcium und Farbpigmenten gebildet. Je höher der Pigmentanteil, desto weniger weiß erscheint das Ei. Aber warum sollten Vögel bei ihren Eiern in kostspielige Sonderlackierungen investieren, wenn es doch die Werkseinstellung „schlichtes Weiß“ gibt? Als Erklärung diskutieren Oologen (Vogeleikundler) verschiedene Ideen:
  • Schutz vor Nesträubern: Pigmentierte Eier fallen potenziellen Fressfeinden weniger ins Auge als strahlend weiße.
  • UV-Schutz: Farbpigmente könnten gefährliche UV-Strahlung abfangen.
  • Kälteschutz: Werden die Eier durch eine intensivere Pigmentierung dunkler, absorbieren sie mehr Sonnenstrahlen als hellere Eier (die mehr Strahlen reflektieren). Ein dunkles Ei würde also weniger schnell auskühlen, falls die Vogeleltern das Nest verlassen müssen (etwa, um Nahrung zu suchen). Umgekehrt hieße das natürlich auch: Ein dunkleres Ei überhitzt schneller als ein helleres. 
  • Schutz vor Keimen: Farbpigmente entfalten zum Teil eine antimikrobielle Wirkung, was das Ei vor Verkeimung schützen könnte. 
Übersicht über die Eier verschiedener europäischer Vogelarten. Illustration von Carl Joseph Meyer via Wikimedia Commons: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vogelei


Die Temperatur macht den Unterschied
Philipp A. Wisocki und Kollegen haben diese unterschiedlichen Annahmen jetzt indirekt geprüft, indem sie die Helligkeit und Farbe von Eiern von 634 verschiedenen Vogelarten bestimmt haben. Diese Werte haben sie anschließend mit der typischen Brutregion der jeweiligen Spezies in Verbindung gebracht. In der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution lautet ihr Fazit [https://doi.org/10.1038/s41559-019-1003-2]: Vieles spricht dafür, dass die Thermoregulation der entscheidende Faktor für die Eipigmentierung ist. Denn: Ingesamt waren die Eier von Spezies, die in kalten Gegenden brüten, dunkler, als die von Arten, die in wärmeren Regionen ihren Nachwuchs heranziehen. Dazu passte auch, dass der Zusammenhang mit einer dunkleren Eipigmentierung insbesondere für Vögel galt, die offene Nester bauen (im Vergleich zu Vögeln, die etwa in Hohlräumen brüten oder auf geschlossene Nester setzen). Bei offenen Nestern würde man am ehesten erwarten, dass die äußeren Bedingungen die Temperatur der Eier beeinflussen können – also etwa, dass ein Ei schneller auskühlt, als in einem geschlossenen Nest. Dass dunklere Eier unter Tageslichtbedingungen weniger schnell auskühlen – und sich auch schneller erwärmen – als helle, konnte das Team übrigens auch experimentell zeigen; dafür setzten die Wissenschaftler um Wisocki einfach verschieden pigmentierte Eier der Sonnenstrahlung aus und maßen die Eitemperatur mit einem Infrarotthermometer. 

Natürlich ist es sehr wohl denkbar, dass auch die anderen Aspekte wie Tarnung oder Mikrobenschutz (im Einzelfall) eine wichtige Rolle spielen (gerade auch für den Vergleich innerhalb von Spezies – also, wenn man Eier ein und derselben Spezies vergleicht, die aber in verschiedenen Regionen mit beispielsweise unterschiedlicher Keim- oder UV-Belastung brüten). Dass die temperaturregulierende Funktion der Pigmentierung aber besonders wichtig ist, wird indirekt noch durch folgende Beobachtung gestützt: Die Forscher zogen zusätzliche Daten von Küstenvögeln heran, um zu analysieren, wie die Eier in Gegenden gefärbt sind, die von besonders vielen Nesträubern heimgesucht werden. Wäre der Schutz vor Räubern der wichtigste Einflussfaktor auf die Eipigmentierung, würde man erwarten, dass die Eier in Regionen mit großer Frassgefahr eher dunkel gefärbt sind – aber genau das Gegenteil war bei den Eiern der Küstenvögel der Fall. Das Team um Wisocki schreibt daher: „[...] [A]uch wenn Nesträuberei sehr wahrscheinlich einen wichtigen ortsabhängigen Selektionsdruck ausübt, legen unsere Ergebnisse nahe, dass Räuberei die globale Verteilung von Vogeleierfarben und -helligkeit nicht so gut erklären kann, wie [die Funktion der] Thermoregulation.“ 


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