Zombie Zikaden

Ein psychoaktiver Pilz pusht Zikaden, seine Sporen zu verbreiten

„Es handelt sich nur insoweit um Zombies, als der Pilz ihre Körper kontrolliert“, stellt Matt Kasson klar. Aber das ist schon bizarr genug. Der Pflanzenpathologe von der West Virginia University in Morgantown hat zusammen mit Kollegen untersucht, wie Pilze der Gattung Massospora das Verhalten von Zikaden beeinflussen [Boyce GR et al. Fungal Ecol. 2019;41:147-64]. Die durch ihre lauten Zirpgeräusche bekannten Insekten bleiben nämlich auffallend agil, auch wenn ihnen infolge einer Infektion mit Pilzen aus der Gattung Massospora der halbe Hinterleib nebst Genitalien abgefallen ist (siehe Bild und Videoclip weiter unten). Die verstümmelten Tiere fliegen weiter umher und versuchen sich zu paaren, während sie Pilzsporen aus ihren offenen Hinterleibern verstreuen. Und: Einige männliche Zikaden präsentieren plötzlich zusätzlich zum geschlechtstypischen Sexualverhalten einen speziellen Flügelschlag, der eigentlich von den Weibchen genutzt wird, um Männchen für die Paarung anzulocken. Kurzum: Alles deutet daraufhin, dass der Pilz die Zikaden auf maximale Sporenverbreitung programmiert. Aber wie macht er das?

Brood V 17 year periodical cicadas
Von Massospora cicadina befallene Zikade, die aufgrund dieser Pilzinfektion große Teile ihres Hinterleibs verloren hat.

Der Pilz als Pusher

Kasson und sein Team haben jetzt entdeckt, dass zwei Massospora-Pilzspezies während der Infektion psychoaktive Substanzen herstellen: das Halluzinogen Psilocybin und das Stimulanz Cathinon. „[Damit] liefern wir Beweise für eine chemische Basis dieser Verhaltensmanipulation“, schreiben die Forscher im Fachjournal Fungal Ecology. Sie spekulieren, dass die psychoaktiven Stoffe den vom Pilz geschwächten Zikaden das nötige Durchhaltevermögen vermitteln, damit diese überhaupt noch mit Artgenossen interagieren können. Um diese These weiter abzuklären, müssten Verhaltensstudien durchgeführt werden, in denen gesunde Tiere Psilocybin und Cathinon ausgesetzt würden. 

Dass psychoaktive Pilzstoffe hinter den Verhaltensänderungen stecken, ist keine unplausible Annahme. Sowohl für Halluzinogene wie auch Stimulanzien ist dokumentiert, dass sie prinzipiell das Verhalten von der Ameise bis zum Menschen beeinflussen können. Ob das aber auch die recht komplexen Aktivitätsänderungen der Zikaden vollständig erklärt, ist eher fraglich. Da passt das Stimulanz Cathinon noch am besten ins Bild: Stimulanzien können bei Menschen die körperliche und geistige Ausdauer erhöhen, Müdigkeit und Hunger unterdrücken und auch das Sexualverhalten beeinflussen. Aber: Die Forscher um Kasson haben über 1.000 einzelne Substanzen in den Pilzen nachgewiesen. Wer weiß also, wie viele Stoffe mit bisher unbekannter Wirkung sich noch darunter befinden. Übrigens auch ein Grund, warum Kasson davor warnt, infizierte Zikaden als Rauschmittel zu konsumieren.


Brood V 17 year periodical cicadas
Kurzer Videoclip, der eine vom Pilz infizierte Zikade ohne Abdomen zeigt.

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